Hungersnot 1771/72
Im Jahr 1769 gab es durch große Nässe eine geringe Ernte und im Frühjahr 1770 folgte im April und Mai eine große Kälte bei extrem trockener Witterung, sodass alle Wintersaaten verdarben. Schon in diesem Jahr stieg der Preis für einen Scheffel Korn von zwei Taler auf acht Taler.
Die Witterung im Jahre 1771 war fast ebenso. Und deshalb musste man bereits zu Pfingsten für einen Scheffel Korn zehn Taler zahlen. Da das Futter fehlte, musste das Vieh geschlachtet werden und dadurch war das Fleisch sehr billig geworden. Ein Pfund Rindfleisch kostete 15 Pfennig, Schweinefleisch 20 und Kalbsfleisch 6 Pfennig. Als Ersatz für Brot wurde viel Reis gegessen, von dem ein Pfund 25 Pfennig kostete.
Der Hohensteiner Chronist Marburger erzählt, dass am 8. Juli 1771 ein gewaltiges Gewitter niederging und ab diesem Zeitpunkt regnete es jeden Tag. Die Niederschläge waren so gewaltig, dass z.B. in Lungwitz und Gersdorf je zwei Häuser weggespült wurden. Das hatte erneut Einfluss auf die Kornpreise, z.B. kostete im Juli ein Scheffel Korn in Altenburg 18 Taler und in Hohenstein 16 Taler. In Glauchau war der Preis auf 17 Taler festgesetzt, aber es gab keines mehr.
Jeder erhoffte sich von der neuen Ernte Besserung. Doch diese Hoffnung wurde durch erneute Nässe und anhaltenden Regen enttäuscht. Auf manchen Feldern ist von sechs Scheffeln Aussaat nicht ein Viertel geerntet worden. Es gab auch kaum Kartoffeln, Kraut und Obst.
Man versuchte zwar Getreide einzuführen. So kaufte man Korn in Riga, Schweden, Russland, Hinterpommern, Dänemark und Livland. Das Getreide wurde über die Elbe nach Wittenberg, Torgau, Meißen und Dresden befördert und von dort aus mit Fuhrwerken oder gar Schubkarren an die Bestimmungsorte.
Trotzdem verhungerten viele Menschen und viele gefährliche Krankheiten breiteten sich aus, denen die geschwächten Körper keinen Widerstand leisten konnten. Die Todesfälle mehrten sich furchtbar.
Das nächste Frühjahr ließ eine gute Ernte erwarten. Trotzdem stiegen die Lebensmittelpreise weiter. So kostete ein Scheffel jetzt bereits 24 Taler (Das 12-fache von 1769!). Erst nach der reichen Ernte im Herbst fielen die Preise wieder auf den Wert von 2 Talern pro Scheffel Korn.
Das ganze Ausmaß wird deutlich, wenn man sich die nüchternen Zahlen betrachtet:
In Hohenstein sind in den zwei Jahren 520 Personen gestorben und in Ernstthal kamen in dieser Zeit auf 432 Todesfälle nur 32 Geburten.
Während in Lichtenstein sonst pro Jahr etwa 50 Personen starben, waren es 1771
135 und 1772 sogar 270. In der gesamten Inspektion Lichtenstein kamen 1772 auf 169 Geborene 926 Gestorbene.
In ganz Sachsen sollen vom 1. Januar bis zum 16. Mai 1772 90000 Menschen an den Folgen der Not gestorben sein und in Schönburg sah die Bilanz so aus, dass 3920 Menschen mehr gestorben waren als geboren wurden.
Auch als Lehre aus diesen tragischen Ereignisse wurden „Suppenanstalten“ eingerichtet (1817), der Anbau von Kartoffeln verstärkt und die Verkehrsverbindungen verbessert. Deshalb hatten die Missernten von 1804, 1805, 1816, 1817 und 1847 nicht mehr die schrecklichen Folgen von 1771/72
_______________________________________________________________
Erklärungen für die oben verwendeten Einheiten
________________________________________________________________
Quelle:
Hugo Colditz, Aus der Geschichte Schönburgs, Selbstverlag (Doerffeldt), Lichtenstein 1904, S. 22-29
Text sinnwahrend bearbeitet und gekürzt, teilweise ergänzt