Lehrerinnenseminar 1856-1928

 

Das Callnberger Lehrerinnen-Seminar war eine Stiftung von Fürst Otto Victor v. Schönburg-Waldenburg (1785-1859). Für ein Stiftungsgeld in Höhe von 60.000 Talern wurde 1856 das Callnberger Lehrerinnenseminar gegründet, die erste „Berufsschule“ für Lehrerinnen in Sachsen überhaupt. Gemäß der fürstlichen Stiftungsurkunde ging die Verwaltung und Beaufsichtigung der Schule auf den sächsischen Staat über. Der Fürst behielt sich aber Zeit seines Lebens ein Mitspracherecht vor und nutzte dies aktiv. So wurden beispielsweise die ersten Lehrpläne zunächst dem Fürst und erst danach dem Kultusministerium zur Genehmigung vorgelegt. Die ersten Jahre müssen schwierige gewesen sein. Einerseits bedurfte es erst einmal des Bekanntwerdens der Einrichtung, andererseits war die Ausbildung von Frauen zu Lehrerinnen vollkommen neu und wurde nicht kritiklos akzeptiert. Fürst Otto Victor behielt sich die Auswahl der Lehrer und des Direktors selbst vor. Es wurde 1856 mit 2 Lehrern (Karl Wilhelm Eulitz, Honorarlehrer aus der Lichtensteiner Bürgerschule und Karl Gebauer), 2 Lehrerinnen (Veronika de Rosa aus Den Haag und Ida Springstubbe aus Pommern) begonnen. Am 08.07.1856 wurde in den beiden größten sächsischen Tageszeitungen bzw. Amtsblättern, „Leipziger Zeitung“ und „Dresdner Journal“, die Eröffnung des Seminars bekannt gegeben. Das Seminar war zunächst für 60 – 70 Schüler geplant. Die Schülerinnen mussten erst eine Aufnahmeprüfung bestehen. Hohe Bedeutung hatten Kenntnisse des Alten und des Neuen Testamentes sowie des lutherischen Katechismus. Gutes Lesen, Rechtschreibung und Grammatik sowie ein guter schriftlicher Ausdruck waren selbstverständlich. Alle anderen Fächer (Geschichte, Naturkunde, Geografie und auch Mathematik) hatten nur eine nachrangige Bedeutung. Wichtiger wiederum waren musikalische Fähigkeiten und gemäß der zu erwartenden Stellungen das Beherrschen der französischen Sprache. In den ersten Jahren gab es durchaus auch ausländische Schülerinnen. Die eigentliche Eröffnung des Lehrerinnen-Seminars zu Callnberg sollte am 20.10.1856 mit 21 Seminaristinnen erfolgen.

 

Das Lehrerinnenseminar war als Internatsschule gestaltet. Für die Beköstigung mussten die Schülerinnen ein „Pensionsgeld“ bezahlen. Tägliche Morgen- und Abendandachten waren genauso üblich, wie der regelmäßige Sonntags-Besuch bei den Armen Callnbergs. Tägliche Spaziergänge unter Aufsicht der Lehrerinnen waren Pflicht. Da es bislang keinerlei Lehrpläne o.ä. gab, mussten die Lehrerinnen die Lehrinhalte ihrer Fächer selbst konzipieren und gestalten. Großer Wert wurde zudem auf das Unterrichtsfach „Deutsch“ und die Fremdsprachausbildung – anfänglich immer mit Muttersprachlerinnen! – gelegt.

 

Trotz der Kritiker hatte sich das Callnberger Seminar im Laufe der Jahre eine durchaus beachtliche Reputation und Anerkennung erarbeitet. Mit dem Tot Otto Victors 1859 endete auch die direkte Einflussnahme sowie die Protektion der Schönburger auf das so fortschrittliche und eben nicht zeitgemäße Callnberger Seminar. 09/1896 bis 11/1900 erfolgte ein umfangreicher großer Um- und Erweiterungsbau. Die heutige Fassade mit den Renaissance-Giebeln entstand.

 

20.10.1906 wurde eine große Feier anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Seminars veranstaltet.

 

Eine größere Tragödie ereignete sich vom 07.-11. Januar 1924: Im Lehrerinnenseminar war ein Brand im Dachstuhl ausgebrochen.

 

Bereits vor dem 1. Weltkrieg drängte der Sächsische Lehrerverein selbst auf eine Akademisierung der Lehrerausbildung. Am 08.05.1922 wurde ein Seminarumwandlungsgesetz beschlossen. Das Lehrerinnenseminar hieß ab 1925 „Fürstlich-Schönburgische Deutsche Oberschule“. Die Existenz des Sächsischen Lehrerinnenseminars zu Callnberg endete mit dem letzten Jahrgang 1928.

 

Autor: Patrick Bochmann. Mitglied des Vereins für Geschichte.