Die Wiedergeburt eines Weinberges
Am Hang oberhalb des Lichtensteiner Suburbiums gedeihen jetzt Rebstöcke. Die Gewächse sind neu. Der Weinberg aber ist historisch.
Von Andreas Tröger
erschienen am 01.08.2017
Lichtenstein. Patrick Bochmann schüttelt den Kopf. "Nein, wir haben das alle nicht gewusst", sagt der Vorsitzende des Lichtensteiner Geschichtsvereins. Es stehe auch nirgends in der bekannten
Geschichtsliteratur geschrieben, dass es in der Stadt jemals einen Weinberg gab.
Christoph Rabe weiß es. Bei den Restaurierungsarbeiten der Häuser 15, 17 und 19 am Schlossberg ist der Chef der Lichtensteiner Bauconzept GmbH mit seinen Architekten und Ingenieuren auf ein paar alte Sachzeugen gestoßen, die auf die einstige Existenz eines Weinberges am Hang unterhalb des heutigen Schlosses hinwiesen. Abstufungen im Gelände, Fragmente von alten Wänden - Zeichen, dass dort einst Terrassen angelegt waren. "Sogenannte gezwickelte Fugen des Mauerwerks waren typisch für Weinbergwände", sagt Christoph Rabe. Und schließlich sei man bei Arbeiten im "Alten Palais", das nach Auffassung der Denkmalpfleger um 1706/07 als sogenannter Witwensitz des Schlosses errichtet wurde, auf private alte Schriftstücke unter den eben aus der Bauzeit stammenden Dielen gestoßen. "Und darin spricht man vom Weinberg", erzählt Rabe. Alte Quellen belegen, dass während des 30-jährigen Krieges ( 1618 bis 1648) kaiserliche Truppen marodierend durch Lichtenstein zogen. "Dabei wurde der Weinberg sicher geschliffen."
Wiederaufbau - ein solches Projekt reizt den Bauconzept-Chef. "Aber von Wein verstehe ich nichts", gibt er zu. Den Aufbau haben noch Fachleute seiner Firma übernommen. Straßenbaumeister Patrick Kühnert aus Langenberg durfte sich dafür im vorigen Jahr für eine Woche bei einem Meißener Winzer aufhalten und sich über Weinbergbau und Co. kundig machen. "Voriges Frühjahr haben wir mit dem Wiederaufbau der Wände begonnen", erzählt der 33-jährige. Der Weinanbau selbst ist nun aber keine Sache mehr für die Lichtensteiner. Den hat Christoph Rabe in die Hände eines Fachmanns gegeben. Pächter des rund 1000 Quadratmeter großen Areals ist mit Janek Schumann alles andere als ein heuriger Hase. Der Freiberger ist ein Master of Wine. Der einzige in Sachsen und einer von nur acht in Deutschland. Weltweit tragen derzeit 350 Leute diesen Titel, den das Institute of Masters of Wine in London verleiht.
Janek Schumann hat am Sonntag am Schlossberg den Startschuss für das Setzen der ersten 125 Rebstöcke gegeben. "Auf dem ersten Weinberg, der im Erzgebirge entsteht." Rund 20 Leute, vor allem aus Schumanns Freundeskreis, standen ihm helfend zur Seite. Wie auch Winzer Martin Schwarz aus Meißen. Im Keller des 54-Jährigen soll der Lichtensteiner Wein einmal reifen. "Holt mal einen großen Feustel und eine Leiter", forderte Schwarz. Er erklärte den Helfern, wie tief die rund 2,50 Meter langen hölzernen Weinpfähle zum Halten der Rebstöcke in die Setzlöcher eingeschlagen werden müssen. "Bis auf Kopfhöhe, also rund 1,80 Meter", gab Schwarz den Wert vor. Die 125 ungefähr einen halben Meter tiefen Löcher hatten Tage zuvor Patrick Kühnert und ein Mitarbeiter per Erdbohrmaschine vorbereitet. Unter Schwarz und Schumanns fachlicher Anleitung brauchten die Helfer nicht viel mehr als zwei Stunden, um die erste Terrasse zu bepflanzen. "Eine zweite Ebene kommt nächstes Jahr dran", so Pächter Janek Schumann. Insgesamt sollen einmal 400 bis 500 Weinstöcke auf drei Terrassen wachsen.
Patrick Bochmann ist von dem Projekt begeistert. "Ein historisches Ereignis", sagte er am Sonntag am Schlossberg. Es sei schon etwas Besonderes für Lichtenstein, wenn mit dem Weinberg ein geschichtlich authentisches Ensemble, zu dem neben dem "Witwenpalais" auch das Postschaffnerhaus und das Kellerhaus gehören, wiederentsteht. Und: "Wir freuen uns auf den ersten Schluck Wein."
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